Ein Berger des Pyrénées in seinem Element
Das Einmaleins für den Familienbegleiter kann ich meinen Hunden ohne Probleme vermitteln. Ich habe auch Rettungshunde ausgebildet, aber die Ausbildung von Hütehunden ist für mich Neuland. Wenn man im Internet nach entsprechender Fachliteratur sucht, wird man alles Mögliche zur Ausbildung von Hunden allgemein oder zur Beschäftigung von Hütehunden im Besonderen bekommenen, aber eine Anleitung, wie man einen Hütehund ausbildet ist nicht leicht zu finden. In meinem Bücherregal gibt es zum Glück schon zwei ältere, aber dennoch sehr nützliche Bücher. Das eine: Karl Hermann Finger – Hirten-und Hütehunde. Das andere Buch stammt von Hans Chifflard und Herbert Sehner: Ausbildung von Hütehunden. Beide Bücher unterscheiden in den Hütemethoden zwischen einem Herdengebrauchshund und einem Koppelgebrauchshund.



Bei der Ausbildung von Joie habe ich mich nicht an der klassischen Trennung von Herden- und Koppelgebrauchshund orientiert, sondern geschaut, was für meine Arbeit tatsächlich gebraucht wird.
Meistens stehen meine Schafe auf Koppeln, aber hin und wieder müssen wir auch von einer Weide zur nächsten laufen. Besonders für solche Gänge ist es wichtig, dass Joie die Schafe zu mir treiben kann und die kleine Herde auch zusammen hält, wenn wir dabei auf einer Wiese pausieren und die Tiere dort fressen dürfen.
In den ersten Wochen und Monaten habe ich Joie die Kommandos für den Familienbegleithund beigebracht. Dies ging bergertypisch sehr schnell. „ Hierher“, „Sitz“, „Platz“, „Bleib“ später „Fuß“ und „Steh“ hatte sie sofort drauf. Wir sind auch mit dem Auto gefahren und wir haben ein bisschen Zivilisation trainiert, denn bei uns auf dem Hof ist es herrlich einsam und ruhig. Da gibt es nur uns und die Tiere. Joie soll mich aber (wie alle meine Hunde) überall hin belgeiten können, auch dorthin, wo mehr Menschen und mehr Betrieb ist.


Joie ist von Anfang an mit auf die Weide gekommen und hat auch gleich die Herdenschutzhunde kennengelernt. Dabei war es stehts nötig, darauf zu achten, dass der Welpe und Junghund keine negativen Erfahrungen mit den Schafen oder dem E-Zaun sammelt.
Mit Zischlauten habe ich Joie immer wieder motiviert hinter den Schafen zu laufen und diese zu treiben. Das hat ihr sofort gefallen. Sie war selbstbewusst und hat die Tiere angebellt, welche sie nicht respektieren wollten, oder auch nach ihnen geschnappt. Bald konnte ich mit eigenen Augen sehen, was in den Büchern stand: Ein Hütehund braucht für die Arbeit keine Leckerlies, das Hüten selbst ist Lohn genug.
Danach ging es daran, die Richtungskommandos zu lernen. Das haben wir zuerst ohne Schafe um einen Pferch herum geübt. Joie hat sehr schnell gelernt, links oder rechts um den Pferch zu rennen, anzuhalten, wann immer ich es gesagt habe, und dann auch die Richtung zu ändern. Nach dem Trockentraining habe ich die Lammböcke in den Pferch gestellt und wollte wie gewohnt trainieren. Aber nichts da! Joie hatte zwar von Beginn an Interesse an den Schafen und mit zisch-Lauten ließ sie sich anfeuern die Tiere zu treiben, aber die Übung mit den Richtungen brachte sie eindeutig nicht mit den Schafen zusammen. Aus ihrer Sicht waren das getrennte Aufgaben. Also musste ich mich anstrengen, um eine Situation zu finden, in der ich ihr den Zusammenhang besser verständlich machen konnte.


Deshalb habe ich auf der Weide bei den Mutterschafen ein Stück Weide abgetrennt, erst als Roundpen und später großflächiger. Dann habe ich zwei oder drei Auen und ihre Lämmer hineingestellt und mit ein paar Leckerlies hinter mir her gelockt, während ich Joie immer wieder mit den Richtungskommandos nach hinten schickte. Inzwischen weiß sie zuverlässig: Sie muss die Schafe zu mir bringen. Dazu sage ich kaum noch etwas und die Richtungskommandos sind oft ganz überflüssig, denn der Berger entscheidet sowieso, wie er die Tiere bringt. Er muss nur wissen, dass er sie bringen soll. Inzwischen trainieren wir, dass Joie die Tiere nicht grundsätzlich bringt, sondern vorher mein Kommando abwartet. Und wir üben das „Wehren“ aus dem Stand: Dabei soll sie die Tiere nicht zu mir treiben, sondern einen Weg versperren, beispielsweise den Ausgang vom Stall oder das offene Tor auf der Weide.
Joie ist jetzt erst zwei Jahre alt, aber inzwischen kann sie schon die zusammengetriebenen Tiere durch Umrunden zusammen halten, damit ich ein einzelnes Tier herausfangen kann. Außerdem treibt sie die Schafe in einen Pferch oder auf den Anhänger, was eine Riesenhilfe beim Verladen der Tiere ist. Die Routinen am Hof, wie aus dem Stall auf die Weide und wieder zurück treiben, sind für sie längst eine Leichtigkeit. Das hat sie sich fast selbst angeeignet: Sie beobachtet einfach, was ich mache und was ich haben will, und dann – völlig ohne Kommando – macht sie die Dinge, die hilfreich sind. Sie braucht dafür nur ihrem Instinkt zu folgen und das bereits Erlernte anzuwenden. Es ist faszinierend, das zu beobachten. Jeden Tag begeistert mich Joie bei der Arbeit aufs Neue für die Berger des Pyrénées. Wahrscheinlich wird sie nie korrekt und auf Kommando alles genauso ausführen, wie ich mir das vorgestellt habe. Sie hat ihren eigenen Kopf und erledigt die Arbeit auf ihre Weise. Das ist typisch für den Berger, er muss nur wissen was ich will, auf welchem Weg er das Ziel erreicht, entscheidet er selbst. Und genau das finde ich so sympathisch, auch wenn es mich manchmal irre macht, z.B. wenn wir uns über das Ziel der Arbeit missverstehen. So sind Bergers, sie arbeiten eben nicht wie ein Border Collie und sie sind auch keine altdeutschen Hütehunde.



Mal ehrlich, es ist beeindruckend, was die Border Collies alles können, oder wie ein altdeutscher Hütehund über tausend Schafe auf einer Fläche hält, wo sie grasen dürfen, ohne beim Nachbarn auf dem Weizenfeld zu naschen. Aber ich liebe gerade den Eigensinn der Bergers. Joie zeigt mir immer wieder, dass sie längst weiß, was zu tun ist, und ich gar nicht so viel Worte machen muss. Mich kümmert nicht, was andere Schäfer sagen oder denken. Ich bin angetreten, um den Menschen um mich herum zu beweisen, dass ein Berger mindestens genauso gut an den Schafen ist, wie ein Altdeutscher oder ein Border Collie. Für mich ist dieser Beweis ganz und gar gelungen und ich freue mich auf alles, was wir noch zusammen lernen werden. Mein Herz gehört dem Berger des Pyrénées!